Zuchteinsatz von Anlageträgern
24.07.2022 21:51

von Astrid Hübner

Dank rasanter Entwicklungen auf dem Gebiet der Molekularbiologie sind inzwischen eine ganze Reihe von DNA-Tests für den Malinois verfügbar. SCDA 1 & 2, CJM, DM, Dilute und CACA. Bei allen Defekten handelt es sich um Autosomal-rezessive Gene.

Autosomal-rezessiv bedeutet, dass die Krankheit unabhängig vom Geschlecht vererbt wird und nur dann zum Ausbruch kommt, wenn das Erbgut des Hundes zwei gleiche Kopien eines bestimmten Gens aufweist. Ein Hund, der also nur Anlagenträger ist, erkrankt NICHT!



Die Gentests schaffen die Möglichkeit, dass man keine zwei Anlagenträger miteinander verpaart und somit keine Merkmalsträger (erkrankte Hunde) züchtet.

Auffällig ist jedoch, dass Besitzer häufig schockiert oder enttäuscht reagieren, wenn sich ihr Hund bei einem Test als Träger erweist.

Deckrüdenbesitzer haben Sorge, die Ergebnisse zu veröffentlichen, weil der Rüde ja als Deckpartner gemieden werden könnte.
Nicht selten hört man, wenn eine Hündin auf zwei Dinge Träger ist, dass sie aus der Zucht genommen werden soll. Es würde ja immer schwerer werden, einen geeigneten Partner zu finden. Dabei ist es die gleiche Hündin wie am Tag zuvor – nur mit Ergebnis. Das Risiko für die Zuchtplanung war doch einen Tag zuvor ungleich höher als mit Ergebnis!

Was macht es uns also so schwer, mit Anlageträgern zu züchten?



Es ist natürlich weitaus schwieriger einen Partner für die Hündin zu finden, wenn Deckrüden entweder nicht vollständig getestet sind oder die Ergebnisse nicht veröffentlicht werden. Transparenz und flächendeckende Testungen würde uns hier einen riesigen Schritt weiterbringen.
Den Besitzern würde es erleichtert werden diese Transparenz zu leben, wenn wir alle die Fakten verinnerlichen und nicht der völlig realitätsfernen Traumvorstellung nachhängen würden, dass es „genetisch perfekte Hunde“ gibt.
Durch unsere geschlossene Population und den immer weitersteigenden Inzuchtgrad passiert es leider, dass sich Defektgene summieren und zu Tage kommen, wenn zwei Träger aufeinandertreffen.

Das Meiden von Trägern bekannter Krankheiten führt nur zu einem: Durch den Verlust genetischer Vielfalt steigt der Inzuchtgrad schneller und andere derzeit UNBEKANNTE Defekte verbreiten sich.



Ein Beispiel zur Veranschaulichung:
Rüde „Rudi“ wird von sehr vielen Züchtern als Deckrüde eingesetzt, weil er auf den Gendefekt „hellrosa“ frei ist. Ein paar Jahre später wird eine neue Mutation „ozeanblau“ entdeckt. Rudi ist nun Träger für dieses neu entdeckte, defekte Gen und hat es natürlich auch an die Hälfte seiner Nachkommen weitergegeben.

Der Rüde „Roland“ hatte sich damals als Träger für „hellrosa“ herausgestellt und wurde auf Grund dieses Ergebnisses von den Züchtern nie zur Zucht verwendet. Dieser Rüde wird jedoch jetzt auf „ozeanblau“ frei getestet, Leider ist er kurz darauf an Altersschwäche verstorben. Und jetzt….?

Ein weiteres Problem ist, bevor uns eine Krankheit auffällt, muss erstmal eine relevante Zahl an Hunden erkranken. Wenn 2% der Hunde Merkmalsträger (erkrankt) sind, dann haben wir bereits 24% Anlagenträger in der Zucht.
Das lässt sich durch die Hardy-Weinberg-Regel errechnen:



Auf 24% der Hunde in der Population zu verzichten ist unmöglich. Man darf ja nicht vergessen, dass es noch andere Selektionskriterien gibt. Die restlichen 76% stehen nicht automatisch zur Zucht zur Verfügung.

Was sehe also ein optimaler Umgang mit Gentests aus? Haben wir eine Möglichkeit, die Trägerzahl nicht in solchem Ausmaß ansteigen zu lassen?

- Anlagenträger müssen unbedingt in der Zucht bleiben

- Alle Zuchttiere flächendeckend komplett testen (Kombitests sind auch günstiger als jeden Defekt einzeln zu testen)

- Ergebnisse veröffentlichen, damit Züchter mit Anlagenträgern die Möglichkeit haben, den passenden Partner zu finden

- Auch Nachkommen von « frei » getesteten Eltern erneut testen (Spontanmutationen/fehlerhafte Tests)

- Jegliche Krankheiten, die in Erscheinung treten dokumentieren, um RECHTZEICHTIG Forschungsprojekte zu starten, bevor die Anlagenträgerzahl ein zu hohes Maß annimmt.

Nur so können wir die Stabilität des genetischen Pools erhalten und das Risiko der Entstehung neuer, unbekannter Krankheiten minimieren.

Das Denken der Züchter über Generationen - nicht nur von einem Wurf zum anderen - das ist die große Herausforderung – war es schon immer und wird es immer sein.






Quellen:
RasseHUNDEZUCHT – Genetik für Züchter und Halter
von Irene Sommerfeld-Stur, Müller Rüschlikon Verlag, 2016

Informationen zu diesem Artikel
Kommentare
Es wurden noch keine Kommentare erstellt

Der Captcha wurde falsch eingeben.

Sie haben zu viele Bilder in Ihrem Beitrag. Maximal dürfen Bilder verwendet werden.

Sie haben zu viele animierte Bilder in Ihrem Beitrag. Maximal dürfen animierte Bilder verwendet werden.

Ein in Ihrem Beitrag verwendetes Bild überschreitet die zulässige Breite, die vom Administrator des Forums festgelegt wurde. Die maximal erlaubte Breite sind Pixel.

Ein in Ihrem Beitrag verwendetes Bild überschreitet die zulässige Höhe, die vom Administrator des Forums festgelegt wurde. Die maximal erlaubte Höhe sind Pixel.

Der eingegebene Text ist zu lang (maximal 65.500 Zeichen).

Sie dürfen erst in Tagen Links zu externen Webseiten posten.

Sie dürfen erst nach Beiträgen Links zu externen Webseiten posten