Inzucht beim Deutschen Schäferhund
13.02.2024 17:18

von Aina Øverland (Norwegen)
übersetzt von Nadine Pieper

Ich habe einige Fragen zu meinem Beitrag über den extremen Inzuchtsgrad erhalten, der jetzt bei deutschen Schäferhunden (und den meisten anderen Rassen) Realität ist. Wie ist es möglich, dass der durchschnittliche Inzuchtskoeffizient 28,3% beträgt? Das entspricht ja mehr als einer Vollgeschwister- oder Eltern-Nachkommen-Verpaarung.
Du könntest sagen, dass mein Wurf/mein Hund nicht in dieser Kategorie ist. Du könntest sagen, dass der Stammbaum 0% Inzucht zeigt. Ja, das tut meiner auch. Aber nachdem ich einen DNA-Test gemacht und den tatsächlichen, genetischen Inzuchtskoeffizienten auswerten lassen habe, sehe ich, dass dies nicht mit dem Stammbaum übereinstimmt. Warum?
Wenn wir einen vollständigen Stammbaum für 30-35 Generationen hätten, also zurück zu Horand, würde Wrights Berechnung grob passen. Aber das haben wir nicht. Die richtigen Elterntiere sind auch nicht immer im Stammbaum aufgeführt, wenn man einige Generationen zurückgeht. Der einzige Weg, den richtigen Inzuchtskoeffizienten zu finden, ist ein DNA-Test.



Also, wie ist es möglich, dass der Inzuchtskoeffizient jetzt so hoch ist? Ich habe ein Diagramm erstellt, das zeigt, wie oft Horand von Grafrath und Pollux, Horands Großvater, in einem Stammbaum eines im jeweiligen Jahr geborenen Hundes vorkommen. Das Wachstum ist exponentiell und ist nach dem Jahr 2000 explodiert, wie das Diagramm zeigt.



Es sind wahnsinnige Zahlen, die kaum zu glauben sind. Deutsche Schäferhunde, die 1925 geboren wurden, haben bereits Horand 272 Mal und Pollux 398 Mal in ihrem Stammbaum.
Dann verdoppelt es sich pro Generation. Ich habe eine Generation für 4 Jahre berechnet. 1965 findet man Horand 278.528 Mal und Pollux 407.552 Mal. Dann geht es langsam los. Deutsche Schäferhunde, die um die Jahrtausendwende geboren wurden, haben Horand 142 Millionen Mal und Pollux 208 Millionen Mal. 2021 kommt Horand 4,6 Milliarden Mal und Pollux 6,7 Milliarden Mal in einem in diesem Jahr geborenen Schäferhund vor.
Das ist Wahnsinn und völlig unethisch. Das passiert mit allen Rassen, die auf ein paar "Gründern" basieren. Rassen, die bis vor kurzem ein offenes Zuchtbuch hatten, haben dieses Problem nicht, ebenso wenig wie relativ neue Rassen noch nicht. Sobald das Zuchtbuch geschlossen ist (nur Hunde mit einem FCI-Stammbaum der gleichen Rasse dürfen sich paaren), beginnt eine unaufhaltsame Reise in die Inzuchtsdepression. Die Frage ist nicht, ob es passiert, sondern wann es passiert.
Das ist ein Grund, warum das Kreuzen verschiedener Linien innerhalb der Rasse nicht hilft, da alles auf Horand und Pollux zurückgeht. Auch der Einsatz des Weißen Schäferhundes hilft nicht, da er in den USA (AKC) immer noch die gleiche Rasse wie der Deutsche Schäferhund ist. Er stammt auch von Horand und Pollux ab, und es wurden keine neuen Hunde zugeführt.
In den 80er Jahren wurde die schreckliche Idee eingeführt, dass ein Hund für ein VA (höchste Auszeichnung auf DSH Ausstellungen) mindestens einen der "großen Vier" im Stammbaum haben muss. Das Rezept für Matadorzucht. Leider stellte sich heraus, dass eigentlich nur zwei der "großen Vier" beliebt und weit verbreitet waren.
Das ist ein Grund, warum die heutige Show-Population der Deutschen Schäferhunde einen noch höheren genetischen Inzuchtskoeffizienten hat als die Arbeitspopulation. Aber letztendlich geht es für alle nur in eine Richtung, auch wenn es möglich ist, die Geschwindigkeit zu verlangsamen, indem man die Zunahme der Inzucht in jeder Generation durch vernünftige Planung minimiert. (Niedrigster möglicher Inzuchtskoeffizient im Stammbaum über so viele Generationen wie möglich berechnet).
Wir haben bereits ein Tierschutzgesetz, das Paarungen verbietet, bei denen mit hoher Wahrscheinlichkeit Gene weitergegeben werden, die Krankheiten und Defekte bei Nachkommen verursachen können. Können wir ehrlich behaupten, dass bei einer Paarung innerhalb der Rasse dies nicht der Fall ist? Wenn alle deutschen Schäferhunde so eng verwandt sind wie mindestens Vollgeschwister, können wir nicht mehr behaupten, dass es in meinen Linien nicht existiert.
Der Norwegische Kennel Club (NKK) hat auch eine Regel, dass ein Inzuchtskoeffizient von 25% oder mehr verboten ist und die Nachkommen in diesem Fall mit einer Zuchtsperre registriert werden. Dies basiert zwar auf einem 5-Generationen-Stammbaum, aber jetzt, da wir das wissenschaftliche Werkzeug des DNA-Tests haben, um den korrekten Inzuchtskoeffizienten zu messen, warum verwenden wir es nicht? Weil es zu schwierig wird, da "alle" geplanten Zuchtpaarungen innerhalb der Rasse den legalen Inzuchtskoeffizienten überschreiten werden? Es ist auch nicht besonders teuer. Ich habe für einen DNA-Test bei Embark dasselbe bezahlt wie für eine Augenuntersuchung.
Glücklicherweise fangen einige Züchter an zu erkennen, wohin die Reise gehen wird, und haben es bereits teilweise erkannt. Wir müssen weg von der Vorstellung, dass Typähnlichkeit gut ist. Typähnlichkeit bedeutet nur einen hohen Anteil ähnlicher Gene (hoher Inzuchtskoeffizient). Wir haben einen Rassestandard, dem wir als Züchter folgen sollten, und versuchen sollten, die besten Kombinationen darauf basierend zu machen. Am wichtigsten müssen sein:

1. Gesundheit
2. Lebensdauer
3. Temperament
4. Arbeitsfähigkeiten
5. Gebäude

Um dies zu erreichen, müssen neue, frische Gene in eine bereits übermäßig inzestierte Rasse wie die des Deutschen Schäferhundes eingeführt werden. Diese Gene müssen vor allem von Hunden stammen, die nicht die gleichen rassespezifischen Leiden haben wie Deutsche Schäferhunde. Sie müssen vital sein, mit einer durchschnittlich höheren Lebenserwartung als Deutsche Schäferhunde. Das Temperament muss auch so genau wie möglich der Beschreibung im Rassestandard entsprechen. Es wäre nur ein Bonus, wenn das Exterieur in der ersten Generation dem Rassestandard entspricht. Das muss das am wenigsten wichtige sein, wenn wir jemals aus dieser Misere herauskommen wollen.
Ist es wirklich so schlimm, möchtest du vielleicht sagen? Ja, wir stehen zumindest am Rand von "schlimm". Das passiert nicht über Nacht, und wir müssen viele gesunde und mental starke Deutsche Schäferhunde haben, die so wenig wie möglich verwandt sind, um damit zurückzukreuzen und Rassemerkmale zu erhalten. Je länger wir warten, desto schwieriger wird es.
Glücklicherweise steht ein neues Tierschutzgesetz in Aussicht und der NKK muss die Registrierung von Hunden überdenken. Hoffentlich wird es einfacher, das Nebenregister zu verwenden, wenn dieses Gesetz in Kraft tritt. Man kann hoffen. In der Zwischenzeit müssen wir alternativ denken.

Informationen zu diesem Artikel
  • Erstellt von: Astrid Hübner
    Kategorie: Genetik
    13.02.2024 17:18:00 Uhr

    zuletzt bearbeitet: 14.02.2024 09:43
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