Wie schlimm ist die Inzucht beim Belgischen Schäferhund?
16.09.2022 19:44

von Thea van Niekerk, zusammengeführt und übertragen aus dem Niederländischen von Jörg Hummel

Bei Rassehunden ist oft die Rede von Inzucht. Diese habe in den letzten Jahren erheblich zugenommen und würde zu Problemen führen. Wie sieht es beim Belgischen Schäferhund aus? Dieser Artikel soll einen Eindruck davon geben.

Jede Hunderasse beginnt ihre Zucht mit ein paar wenigen Hunden, die sich ähnlich sehen. Durch die Verpaarung dieser wird die Rasse etabliert. Da nur eine limitierte Anzahl von Hunden als Zuchtbasis dienen und für die Etablierung der Rasse vorgesehen werden, gibt es in jeder Rasse faktisch und nach Definition zwangsweise einen bestimmten Grad an Inzucht. Durch Mutationen und andere Faktoren können neue Gene in die Rasse eingebracht werden, so dass diese so umfangreich wird, dass es möglich ist, Verpaarungen aus Hunden zu arrangieren, die über viele Generationen nur sehr wenige gemeinsamen Ahnen/Verwandtschaftsbeziehungen aufweisen. In der Praxis ist es jedoch recht verbreitet, dass Züchter bestrebt sind, den gleichen, erfolgreichen, gut arbeitenden, gut vererbenden oder ihnen besonders gefallenden Deckrüden auszuwählen und zu verwenden. Was auch immer der Grund sein mag, verwenden viele Züchter den gleichen Deckrüden, führt dies zu einer Verwandtschaft zwischen ihren Hunden und die Inzucht steigt.

Wie funktioniert Vererbung?



Jeder Hund erbt Merkmale von seinem Vater und seiner Mutter. Betrachten wir dies auf der Ebene der Gene, dann besteht jedes Gen aus zwei Teilen, die Allele genannt werden. Diese Allele sind die Träger der erblichen Merkmale. Dies können beispielsweise Fellfarbe, Ohrenstellung und -ansatz, oder Verhaltensmerkmale (Arbeitseigenschaften) sein. Aber ebenso auch Krankheiten. Für jedes Gen eines Hundes kommt ein Allel von der Mutter, das andere vom Vater. Die Mutter und der Vater haben wiederum auch zwei Allele für jedes Gen, jeweils eines von deren Vater und eines von deren Mutter. Auf diese Weise werden Merkmale von Generation zu Generation weiter gegeben. Nicht all diese Eigenschaften sind gleich gut, manchmal gibt es Mängel. Tatsächlich gibt jedes Elterntier an irgendeiner Stelle einen Defekt weiter, da es kein Tier mit 100% gesunden Genen gibt. Wenn ein Elterntier einen Defekt vererbt, das andere hingegen ein gesundes Allel, dann ist normalerweise alles gut. Die Natur löst dies dadurch, dass das gesunden Allel genutzt wird und der Hund gesund bleibt.

Nehmen wir nun an, dass ein bestimmtes Gen einen „Fehler“ aufweist. Die Vorfahren gaben diesen „Fehler“ von Generation zu Generation weiter. Da es zwei Allele für jedes Gen gibt und das zweite Allel einfach gesund war, fällt nicht auf, dass es diesen „Fehler“ überhaupt gab. Hat ein Tier Nachkommen, bestimmt der Zufall, ob der „Fehler“ oder das gesunde Allel weitergegeben wird. Die Wahrscheinlichkeit beträgt 50%. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Fehler erneut weitergegeben wird, beträgt wieder 50%. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein „Fehler“ von einem Großelternteil in dessen Enkel vorliegt, beträgt also 50% x 50% = 25%. Diese Wahrscheinlichkeit nimmt über mehrere Generationen betrachtet also immer weiter ab. Nehmen wir jedoch an, dass es einen gemeinsamen Vorfahren gibt, der zudem auch noch Träger des „Fehlers“ war, dann verdoppelt sich die Chance, dass dieser „Fehler“ weitergegeben wurde. Und dann kann es schließlich dazu kommen, dass in einem Nachkommen dieser „Fehler“ zweifach zusammenkommt. Dies ist ärgerlich, da dann kein gesundes Allel vorhanden ist, das den „Fehler“ kompensieren könnte. Dieser Hund wird dann den „Fehler“ ausprägen. Dieser wurde in den Vorfahren zwar nie wahrgenommen, war aber die ganze Zeit da. Man konnte es nur nicht von außen erkennen.

Nicht immer ist ein Allel oder Gen allein verantwortlich für ein Merkmal. An komplexeren physischen Prozessen und an einer ganzen Reihe von Krankheiten sind mehrere Gene beteiligt. Einzeln lösen sie wenig aus, doch im Zusammenspiel kann die Eigenschaft oder Krankheit auftreten. Das Problem ist, dass wir noch immer wenig wissen und über Merkmale und Krankheiten, die von mehreren Genen bestimmt werden, ist oft kaum etwas bekannt. Manchmal ist ein Gen für ein allgemeines Merkmal oder ein Krankheitsbild verantwortlich und es gibt eine ganze Reihe von sogenannten modifizierenden Genen, die den Grad der Ausprägung bestimmen. Manchmal wird ein Merkmal auch nur ausgeprägt, wenn bestimmte Allele kombiniert sind, von denen jedes einzeln wenig schadet. Und es gibt noch einige weitere Varianten.

Beim Belgischen Schäferhund haben wir mit Magenkrebs, Epilepsie und wenn auch im geringeren Maße mit Allergien und Immunproblemen (wie beispielsweise Addison, Vitiligo) zu tun. Zur Erforschung von Magenkrebs und Epilepsie gibt es mehrere Studien, um die verantwortlichen Gene ausfindig zu machen. Aber dies ist nicht so einfach und es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis die Wissenschaft für die Zucht nutzbare Resultate aufzuweisen vermag.

Was ist Inzucht?



Gibt es gemeinsame Vorfahren, spricht man von Inzucht. Dies ist tatsächlich bei jedem Rassehund der Fall. Geht man in der Ahnentafel weit genug zurück, wird man gemeinsame Vorfahren vorfinden. Wie oben erklärt, ist es wahrscheinlicher, dass gleiche Allele bzw. Merkmale in einem Individuum vorkommen, wenn es gemeinsame Vorfahren gibt. Je häufiger die Vorfahren vorkommen, desto höher die Wahrscheinlichkeit. Und je häufiger die Vorfahren, desto höher ist auch die Inzucht. Dies wird durch den sogenannten Inzuchtkoeffizienten zum Ausdruck gebracht.

COI – Der Inzuchtkoeffizient



Aufgrund der negativen Effekte von Inzucht wird aktuell vermehrt auf die Reduzierung der Inzucht in Hunderassen geachtet. An dieser Stelle sprechen wir dann vom COI (aus dem Englischen von ‚coefficient of Inbreeding‘) dem Koeffizienten der Inzucht oder Inzuchtkoeffizienten [im Deutschen auch IK angekürzt]. Diese Zahl kennzeichnet den Grad der Inzucht über eine bestimmte Anzahl von Generationen. Er wird in Prozenten angegeben und bringt zum Ausdruck, wie hoch die Chance ist, dass ein Welpe die gleiche Gensequenz von Vater und Mutter erbt. Je mehr gemeinsame Vorfahren, desto größer die Chance und desto höher der COI. Gibt es keine gemeinsamen Vorfahren, beträgt der COI 0%. Bei extremer Inzucht wie beispielsweise bei einer Bruder-Schwester-Verpaarung (die im Übrigen verboten ist) beträgt die Chance, dass ein Nachkomme das gleiche Gen von Vater und Mutter erbt 25%. Wenn dieses Bruder-Schwester-Paar nun auch aus einer Inzuchtverpaarung stammt, haben sie mehr identische Gene, als wenn sie aus einer Verpaarung ohne Inzucht stammen. Infolgedessen kann der Prozentsatz gleicher Gene sogar noch höher sein und ein COI bis auf 30% möglich sein. Im Allgemeinen wird gesagt, dass ein COI größer als 10 bis 15 % schlecht bzw. schädigend für die Rasse ist.

Das Problem mit der Inzucht



Durch Inzucht wird die Rasse in sich homogener und es ist möglich, die guten Qualitäten „einzufangen“, wie es so schön heißt. Dies bedeutet, dass alle Nachkommen diese guten Qualitäten aufweisen werden. Dies können beispielsweise eine gute Fellfarbe, gut angesetzte Ohren oder eine bestimmte Charakter- oder Arbeitseigenschaft sein. Dies ist auch der Grund für das einheitliche Erscheinungsbild innerhalb einer Rasse bzw. Varietät.

Es werden jedoch nicht nur diese äußeren Qualitäten sondern auch „Fehler“ vererbt. Und wie bereits erörtert, kommen diese zusammen, hat das Tier ein oder mehrere Probleme. Je höher der Inzuchtkoeffizient ist, desto einheitlicher sind die Gene und desto wahrscheinlicher können solche Probleme auftreten. Bekannte Probleme der Inzucht sind beispielsweise Immunprobleme. Beim Belgischen Schäferhund treten Probleme wie Magenkrebs und Epilepsie wahrscheinlicher auf, wenn der Grad der Inzucht steigt. Aber dies gilt auch umgekehrt: Auch wenn wir nicht wissen, wie die Vererbung genau funktioniert, können wir sehr wahrscheinlich das Risiko von Magenkrebs und Epilepsie senken, wenn wir es schaffen, den Grad der Inzucht zu senken.

Wie viele Generationen?



Im Idealfall sollten bei der Berechnung des Inzuchtkoeffizienten so viele Generationen wie möglich berücksichtigt werden. In der Praxis ist dies jedoch problematisch. Zum Einen benötigen solch umfangreiche Berechnungen sehr viel Computerkapazitäten, woran kommerzielle Online-Programme wenig Interesse zeigen, zum Anderen müssen wir uns mit fehlenden Informationen im Stammbaum befassen, sodass eine Berechnung nicht immer möglich ist. Viele Datenbanken berechnen den COI standardmäßig über 5 Generationen. Dies ist jedoch sehr wenig und zeichnet daher ein zu vorteilhaftes Bild. Es ist besser den Inzuchtkoeffizienten über 8-10 Generationen zu berechnen. Auf WorkingDog ist der COI beispielsweise über 9 Generationen berechenbar.

Der Ist-Zustand beim Belgier (nach Ahnentafel)



Aber wie sieht es nun eigentlich beim Belgischen Schäferhund aus? Gibt es Unterschiede zwischen den Varietäten? Um hiervon eine Vorstellung zu bekommen, habe ich Informationen über eine Reihe von Belgischen Schäferhunden bekannter Linien gesammelt. Hierfür habe ich die Ergebnisse der Französischen Speziale von 2019 übernommen, wie wir sie bereits im niederländischen NVBH-Magazin veröffentlicht haben. Dies waren die drei Erstplazierten einer jeden Klasse sowie die niederländischen Hunde mit „vorzüglich“. Dies erschien mir eine gute Repräsentation der aktuell beliebten Zuchtlinien darzustellen. Auf diese Weise kam ich auf 37 Tervueren, 30 Groenendael, 30 Malinois und 18 Laekenois. Da die niederländische Beteiligung bei den Laekenois eher gering war, habe ich mit einigen Hunden aus bekannten niederländischen Zwingern aufgefüllt, sodass ich schnell auf 24 Laekenois kam. Ich konnte sehr leicht den Inzuchtkoeffizienten über 5 Generationen für diese Hunde finden. Da dies etwas wenig Generationen sind, habe ich versucht auch den COI dieser Hunde über 9 Generationen zu finden. Nicht bei allen Hunden ist mir dies gelungen. Da die Ergebnisse der Französischen Speziale nur Showlinien betreffen und die Situation bei den Arbeitslinien sehr anders aussehen kann, habe ich auch versucht, mir hiervon ein Bild zu machen. Zu diesem Zweck habe ich mir Stichproben von Hunden der verbreitetsten Linien jeder Varietät genommen. Für die Groenendael hatte ich hierfür ausreichend Wissen. Für die Tervueren und Malinois habe ich einige Experten konsultiert. Da bei den Groenendael und Tervueren Arbeitslinien in den Niederlanden in zu geringer Zahl vertreten sind, habe ich auch ausländische Linien hierfür ausgewählt. Für die Malinois habe ich nur in den Niederlanden gezogene Linien ausgewählt. Für die Laekenois gibt es keine wirklichen Unterschiede zwischen Arbeits- und Showlinien.

Der durchschnittliche Inzuchtkoeffizient 



Im Durchschnitt über alle Varietäten betrug der COI 3,5%, wenn dieser über 5 Generationen berechnet wurde. Über 9 Generationen berechnet betrug er 6,3%. Im Durchschnitt lagen die Showlinien mit dem Inzuchtkoeffizienten etwas höher als die Arbeitslinien (über 5 Generationen 3,5% gegenüber 2,6%; über 9 Generationen 7,1% gegenüber 4,3%).

An sich sind diese COI-Zahlen noch immer ziemlich niedrig. Es gab jedoch auch eine gewisse Streuung und auch Ausreißer. Über 9 Generationen betrachtet hatten durchschnittlich 19% der Hunde einen Inzuchtkoeffizienten von größer 10% (über 5 Generationen betrachtetet waren 9! Malinois sehr nahe an dieser Marke mit 9,2%).

Inzucht nach Varietäten





In Abbildung 1 und 2 ist der Inzuchtkoeffizient nach Varietäten dargestellt – sowohl für Show- als auch Arbeitslinien. Wie erwähnt wurde auf diese Unterscheidung bei den Lakenois verzichtet. Abbildung 1 zeigt Inzuchtwerte über 5 Generationen. Die Werte sind an der Achse links abzulesen. Jeder farbige Balken spiegelt die Verteilung innerhalb einer Varietät wieder. Die Mehrheit der Hunde liegt innerhalb der Balken. Die Punkte sind die erwähnten Ausreißer. Je höher der Balken liegt, desto höher der Inzuchtkoeffizient, je höher der Balken, desto größer die Streuung.

Über 5 Generationen betrachtet, bleiben alle Varietäten angemessen unterhalb eines COI von 10%. Die Showlinie-Groenendael und die Arbeitslinien-Tervueren weisen eine niedrigen COI auf, die Lakenois liegen etwas höher, dicht gefolgt von den Showlinien-Malinois und den Showlinien-Tervueren. Die Arbeitslinien-Groenendael haben zwar eine größere Streuung, liegen aber im Durchschnitt (das Kreuz) bei den Showlinien-Malinois.

Sehen wir uns die Berechnung über 9 Generationen an (Abbildung 2), erkennen wir, dass einige Varietäten die Marke von 10% überschreiten: Showlinien-Tervueren, Showlinien-Malinois und Laekenois. Die Groenendael aus Arbeitslinien weisen immer noch eine große Streuung aus, liegen im Durchschnitt aber unter der 10%-Grenze. Die Arbeitlinien-Malinois weisen eine geringere Streuung auf, ähneln aber bezüglich des Durchschnitts-COI den Groenendael. Die Groenendael aus Showlinien und die Tervueren aus Arbeitslinie weisen nach wie vor eine geringe Streuung und eine niedrigen durchschnittlichen COI auf.

Der Unterschied zwischen den Groenendael und Tervueren aus Showlinien ist auffällig. Wir wissen schließlich, dass es einige gemeinsame Vorfahren gibt. Wie kann dieser Unterschied also erklärt werden? Beim betrachten häufig verwendeter Vorfahren erkennt man, dass in den Stammbäumen von Groenendael ziemlich beliebte Tervueren vorkommen, andersherum sind aber nur wenige der populären Groenendael in den Ahnen der Tervueren zu finden. Dies kann wiederum mit der Tatsache erklärt werden, dass Schwarz dominant vererbt wird und es daher schwieriger ist, einen Tervueren-Nachwuchs von einem beliebten Groenendael zu bekommen.

Diskussion



Um den tatsächlichen Ist-Zustand beim Belgischen Schäferhund beurteilen zu können, müssten die Daten einer deutlich größeren Anzahl von Hunden gesammelt werden als für diesen Artikel. Die hier vorgestellte Stichprobe sollte daher nicht als Realität, sondern eher als Hinweis angesehen werden. Dennoch gibt sie als solches einen Eindruck. Es geht nicht um die Nachkommastellen, diese werden bei einer größeren Anzahl von Hunden sicherlich variieren, doch wird die grundsätzliche Aussage nicht wesentlich anders ausfallen.

Bis hierhin wurde der Inzuchtkoeffizient angegeben, wie er sich auf der Grundlage von Stammbäumen berechnet. Dieser kann jedoch erheblich vom tatsächlichen, genetisch bestimmten COI abweichen.



Ein Beispiel: Meine verstorbene Hündin Dasha du Pré du Vieux Pont hatte auf dem Papier einen COI von 0,59% über 5 Generationen und von 4,88% über 9 Generationen ermittelt. Daran gäbe es auch nichts auszusetzen. Ihr genetischer COI, der durch DNA-Analyse bestimmt wurde, beträgt jedoch 25%! Und in gleicher Weise stellen viele Züchter, die den COI genetisch bestimmen ließen, fest, dass die Realität schockierender ist, als bisher angenommen.

Sagt der auf dem Papier bestimmte COI also überhaupt nichts aus?  Wenn die Berechnung alle Generationen bis hin zu den ersten Groenendael einschließt, stellt sich heraus, dass sie dem genetisch bestimmten COI ziemlich ähnlich ist. Dies zeigt erneut: Je mehr (vollständige) Generationen in die Berechnung einbezogen werden, desto näher kommen die Ergebnisse der Realität.


Abbildung 3: Dasha du Pré du Vieux Pont

Der Ist-Zustand beim Belgier (genetisch bestimmt)



Wie bis hierhin dargestellt, wird normalerweise die Inzucht auf der Basis des Stammbaums berechnet. Dies ist ein berechneter Inzuchtwert, doch wird dabei das Tier selbst nicht gemessen. Heutzutage kann dies über ein DNA-Analyse erfolgen. Mehr als 500 Belgische Schäferhunde wurden bisher durch das Labor von Embark getestet, mehr als von irgendeinem anderen Labor auf der Welt zuvor. Es wurden auch nicht nur amerikanische Hunde berücksichtigt, sondern auch ein bedeutender Anteil europäischer Rassevertreter. Der Inzuchtkoeffizient wurde bestimmt, indem geprüft wurde, welcher Anteil der Gene in beiden Allelen die gleichen Eigenschaften aufweisen. Dies ist ein tatsächlich gemessener Inzuchtkoeffizient. Im Belgian Shepherd Health Project, einer amerikanischen Initiative, wurden so viele Testergebnisse wie möglich gesammelt und aufgelistet. Ein Bericht ist noch in Bearbeitung, doch der durchschnittliche COI von 420 zusammen getragenen Testergebnissen ist bereits bekannt. Und auch wenn 420 Hunde nur die Spitze des Eisbergs darstellen, ist dies jedoch alles, was wir aktuell haben und möglicherweise bekommen werden, um einen fairen Eindruck in die Realität zu erhalten.

Der folgende Überblick zeigt die Durchschnitte der genetisch bestimmten Inzuchtkoeffizienten nach Varietäten.



Nehmen wir alle Varietäten zusammen und betrachten die sogenannten Show- und Arbeitslinien, liegt der durchschnittliche COI von Showlinien bei 27,1%, der von Arbeitslinien bei 12,6% und der von Verpaarungen aus Show- und Arbeitslinie bei 17,0%.

Was ist ein (zu) hoher Inzuchtkoeffizient?



Was ist ein hoher COI und was ein niedriger? Betrachten wir die Embark-Ergebnisse, liegt der Deutsche Schäferhund bei einem COI von ungefähr 35%, der Schottische Schäferhund bei etwa 45% und die Border Collies bei etwa 20%. Der Belgische Schäferhund ist also keine Ausnahme und schneidet im Vergleich zu anderen Rassen scheinbar nicht allzu schlecht ab. Doch bedeutet dies, dass es keine Probleme gibt? Das Lehrbuch „Animal breeding and genetics“ (Oldenbroek & Van der Waaij, 2014) besagt, der Inzuchtkoeffizient sollte nicht über 1% liegen. Carol Beuchat vom Institute of Canine Biology weist darauf hin, dass sich ab einem Inzuchtkoeffizienten von 5% die schädlichen Effekte von Inzucht auszuprägen beginnen. Bei einem COI von 10% seien laut Beuchat die Risiken von Gesundheitsproblemen deutlich erhöht und der Verlust von Vitalität deutlich erkennbar. Sie vergleicht dies mit einer Ehe von Cousins, welche auf dem Papier einen Inzuchtkoeffizienten von 6,5% ergibt, einer Ehe zwischen Halb-Geschwistern mit einem COI von 12,5% und mit einer Verbindung von Vollgeschwistern, welche 25% Inzuchtkoeffizienten ergäben.

Es ist bekannt, dass geschlossene Gesellschaften mit häufigen Ehen innerhalb von Familien tendenziell einen höheren Anteil von behinderten Menschen aufweisen. Daher wird von Ehen zwischen Cousins und Geschwistern abgeraten. In der Hundezucht wurde dies über Jahre gemacht. Nicht nur einmal, sondern wieder und wieder innerhalb der gleichen Linien. Auf diese Weise bekommt man Tiere mit sehr einheitlichem Erscheinungsbild, jedoch ebenso Inzucht mit Inzucht und einen extrem hohen Inzuchtkoeffizienten mit dem damit verbundenen Abweichungsrisiko! Es sollte als Wunder angesehen werden, dass es nicht mehr Probleme gibt.

Fünf vor 12?!



In der letzten Clubzeitschrift [des NVBH] hat Jeannette Bout Alarm geschlagen. Sie wies darauf hin, dass unser Grad der Inzucht zu hoch und dass unsere geliebte Rasse gefährdet sei. Die in diesem Artikel dargelegten Zahlen unterstützen diese Behauptung. Es ist also höchste Zeit, sich ernsthaft mit der Möglichkeit zu befassen, Inzucht zu reduzieren. Ahnungslos könnte man annehmen, man müsse dem Thema „nur“ mehr Aufmerksamkeit schenken und daher weniger verwandte Tiere für die Zucht auswählen. Solche Tier sind jedoch inzwischen fast unmöglich zu finden. In diesem Sinne mag es nicht 5 Minuten vor 12 sein, sondern eher 5 Minuten nach 12! Ein längeres Aufschieben wird die Probleme nur noch schlimmer machen.

Als Zuchtverein werden wir [der NVBH] kurzfristig daran arbeiten. Der Raad van Beheer [das niederländische Äquivalent zum VDH] hat eine Reihe von Plänen zur Verbesserung der Gesundheit des reinrassigen Hundes, die im Einklang damit stehen. Für die Belgische Schäferhunde können diese Pläne Lösungen bieten, vorausgesetzt sie haben einen richtigen, zuchtspezifischen Fokus. Wir [der NVBH] werden in Kürze mit den Züchtern ins Gespräch treten.

Quellen:  

D. Vesely, 2020, Embark COI results Belgian Shepherds. Belgian Shepherd Heath Project (persönliche Kommunikation)

Oldenbroek, K., L. van der Waaij, 2014. Animal breeding and genetics for BSc students. Textbook animal breeding. Center for Genetic Resources and Animal Breeding and

Genomics Group, Wageningen University and Research Center, the Netherlands

C. Beuchat, 2015. COI FAQS: Understanding the Coefficient of Inbreeding. The Institute of Canine Biology, https://www.instituteofcaninebiology.org...t-of-inbreeding

Zur Autorin: Thea van Niekerk studierte an der Universität Wageningen Geflügelhaltung (M.Sc.) und widmet sich seit ihrem Abschluss und inzwischen schon gut 32 Jahren als (mittlerweile) leitende Forscherin am Forschungszentrum Wageningen Livestock Research (NL) mit wissenschaftlichen Studien im Bereich Geflügelhaltung und -wohbefinden. Seit 1988 begleiten sie Groenendael in ihrem Leben, die sie vielseitig im Sport führt. Auch in der Zucht ist sie mit ihrem Zwinger „Of Dazzling Black“ (www.ofdazzlingblack.nl) aktiv. Im NVBH ist sie Schriftführerin im Präsidium und zeichnet zudem für dessen Club-Magazin und die Mitgliederverwaltung verantwortlich. Sie beschäftigt sich intensiv mit der Gesundheit unserer Rasse. Sie ist u.a. als engagiertes Mitglied des Belgian Shepherd Health Project aktiv und kümmert sich in Eigeninitiative um das Onlineregister International Register of Belgian Shepherds with Stomach Cancer.



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