Schäferhundkeratitis (Keratitis superficialis chronica)
24.08.2022 18:30

von Alexandra Ritter

Zitat
„Ich wünschte, ich hätte früher gewusst, worum es sich handelt, damit ich Vorkehrungen hätte treffen können.“

Diesen Kommentar hört man immer wieder, wenn man mit Besitzern von betroffenen Hunden spricht. Um früh genug eingreifen zu können und um die Keratitis möglichst im Griff zu haben, ist es wichtig Hundebesitzer aufzuklären und sie für eine regelmäßige Kontrolle der Augen ihres Hundes zu schulen.

Allgemein wurde beobachtet, dass die Erkrankung umso hartnäckiger und therapieresistenter ist, je jünger die betroffenen Hunde sind (unter 3 Jahren). Bei den meisten Hunden kommt die Krankheit zwischen dem 3. und 5. Lebensjahr zum Ausbruch.

Was ist eine Schäferhundkeratitis?



Sie ist eine Autoimmunerkrankung der Hornhaut des Auges, auch Keratitis superficialis chronica (KSC) genannt. Sichtbar wird sie durch eine chronische, oberflächliche Entzündung der Hornhaut und meist gleichzeitig auch der Bindehäute des Auges. Unbehandelt kann sie zu schweren Schädigungen führen, die die Sehkraft stark einschränkt oder zur Erblindung des Hundes führt. Abhängig von vielen Faktoren, z.B. der UV-Strahlung kann sie schneller oder langsamer fortschreiten. Daher ist es auch so wichtig diese Krankheit möglichst früh zu erkennen, um mit der Behandlung zu beginnen

Zitat
"Bei der Schäferhundkeratitis liegt eine Entzündung der Hornhaut vor. Es wachsen Blutgefäße in die Hornhaut ein und in weiterer Folge schwarzes Pigment. Viele Hunde haben zusätzlich eine Entzündung in der Nickhaut (dem "zusätzlichen" Augenlid der Hunde und das wie ein „Scheibenwischer“ von unten nach oben über das Auge ziehen kann). Die Nickhaut wird bei betroffenen Hunden rot und der schwarze Rand verliert seine Farbe. Diese Entzündung nennt man "Plasmom". Bei manchen Hunden ist nur die Hornhaut betroffen, bei anderen vermehrt die Nickhaut und bei wieder anderen liegen beide Probleme (Hornhautentzündung und Nickhautentzündung vor)."



Was genau versteht man unter einer Autoimmunerkrankung?



Das Immunsystem eures Hundes hat normalerweise die Aufgabe euren Hund gesund zu erhalten. Es bekämpft Infektionen, bzw. Viren und Bakterien und versucht den Körper zu schützen. Bei Autoimmunerkrankungen ist das Immunsystem gestört und schädigt unbeabsichtigt gesunde Körperteile.
Die Autoimmunerkrankungen von Rassehunden nehmen in den letzten Jahren dramatisch zu. Eine Überrekation der Zellen des Immunsystems führt dazu, dass nicht mehr nur, z.B. ein Virus bekämpft wird, sondern auch körpereigene Zellen.

Zitat
„Bei diesen speziellen Erkrankungsformen richtet sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper und erkennt dabei fälschlicherweise körpereigene Strukturen als fremd. Das Immunsystem ist bestrebt diesen „Fremdkörper“ zu eliminieren, was in unterschiedlichsten Autoimmunerkrankungen resultieren kann. Tausende derartiger Erkrankungen wurden bis heute beschrieben."



Der Major Histocompatibility Complex (MHC) Klasse II wird mit mehreren Autoimmunerkrankungen bei Hunden in Verbindung gebracht. Die DLA-Gene dieses Komplexes übernehmen eine wichtige Funktion im Immunsystem. Ein gut funktionierendes Immunsystem ist abhängig von der Diversität seiner DLA-Gene und der daraus resultierenden Varianten und Kombinationsmöglichkeiten der verschiedenen DLA-Haplotypen. Zu diesem Thema könnt ihr mehr in unserem Bericht "DLA-Gene und die Bedeutung ihrer Diversität" lesen.

Leider sind bei einem Großteil der Hunderassen kaum mehr verschiedene DLA-Haplotypen zu finden und die Diversität der DLA-Gene hat stark abgenommen, was ein Indikator für ein höheres Inzuchtniveau ist. Damit verbunden steigt die Wahrscheinlichkeit einer Homozygotisierung der DLA-Gene und somit steigt auch das Auftreten von Autoimmunerkrankungen.

Einer Studie gelang es einen MHC-Risiko-Haplotyp der Klasse II für Keratitis superficialis chronica (KSC) beim Deutschen Schäferhund zu identifizieren. Der DLA-Haplotyp DRB1*01501/DQA1*00601/DQB1*00301konnte mit KSC assoziert werden. Die Studie erarbeitete weiter, dass die Homozygotie des Risiko-Haplotyps ein Ausbrechen der Krankheit um mehr als das Achtfache erhöht.

Eine andere Studie am Italienischen Greyhound zeigt, dass gesunde Hunde im Vergleich zu betroffenen Hunden mit einer Autoimmunerkrankung, einen insgesamt höheren Anteil heterozygoter SNPs (Marker) im Bereich der DLA-Gene haben.

Bei manchen Rassen besteht eine erbliche Veranlagung für die Entwicklung einer KSC, wie z.B. beim Deutschen und Belgischen Schäferhund, Border Collie und Greyhound. Allerdings können auch andere Hunde jeglicher Rasse und/ oder Größe einen Pannus entwickeln. Der Erbgang ist bisher noch nicht bekannt, allerdings kann beim Deutschen Schäferhund, wie oben bereits beschrieben, ein DLA Haplotyp mit der KSC assoziert werden.

Der Name Schäferhundkeratitis leitet sich von der Tatsache ab, dass diese Erkrankung hauptsächlich beim Deutschen Schäferhund auftritt, wobei sie auch immer mehr beim Belgischen Schäferhund eine Rolle spielt.

Neben der genetischen Veranlagung spielt der ultraviolette Strahlenanteil des Sonnenlichts eine herausragende Rolle als Auslöser dieser Krankheit. Dies erklärt auch den gehäuften Ausbruch der Erkrankung in den sonnenreichen Monaten.

Wie erkennt ihr eine Schäferhundkeratitis bei eurem Hund?



Üblicherweise kommt es zu einer Veränderung der Pigmentierung. Eine Trübung der Hornhaut ist zu beobachten oder oft auch sichtbare Blutgefäße in der Hornhaut. Die Veränderung beginnt in der Regel am äußeren Rand der Hornhaut beider Augen und breitet sich von dort nach innen aus.

Seht eurem Hund in's Gesicht und stellt euch seine Augen als Uhr vor. Die Veränderungen werden meist auf 3:00 und 9:00 Uhr beobachtet.



Zitat
"Hunde mit Schäferhundkeratitis haben einen "Schleier" auf dem Auge, der typischerweise rot und/oder schwarz ist. Die Erkrankung tritt immer in beiden Augen symmetrisch auf, typischerweise beginnt sie auf der Seite, die zum Ohr hin liegt. Manche Hunde zeigen auch eine Rötung der Nickhaut ("scheibenwischerähnliche" Haut, die vom unteren Augenlid ausgeht). Normalerweise zeigen betroffene Hunde kein Augenkneifen."

Zitat Tierklinik Hofheim



Zitat
"An der Grenze der weißen Augenhaut zur Hornhaut, die meist vermehrt pigmentiert ist, kommt es zum Einwachsen von gefäßhaltigem Granulations- und Bindegewebe in die oberen Schichten der Hornhaut, was in der Bildung eines undurchsichtigen, oberflächlich unebenen, kirschrot gefärbten Flecks sichtbar wird. Dieser Fleck ist meist von einem speckigen, grauweißen Saum begrenzt.
Im weiteren Verlauf der Erkrankung wandern von den Randbezirken her pigmentbildende Zellen in das veränderte Gebiet ein, was dem, sich in Richtung auf die Hornhautmitte zu ausdehnenden Fleck, nun ein mehr graurosa bis fleckig braunschwarz marmoriertes Aussehen verleiht. Gleichzeitig besteht häufig eine entzündungsbedingte Rötung der Bindehäute.
Ohne Behandlung schreitet der genannte Entzündungsprozess sehr häufig weiter fort und erstreckt sich schließlich über die gesamte Hornhaut, was zur völligen Erblindung des Hundes führen kann."

Zitat Hundebrille.eu (Autor: Tierarzt Dr. Willy Neumann Veröffentlicht auf www.tiermedizin.com)





Stellt man eine Veränderung fest, sollte ein Tierarzt oder besser ein Fachtierarzt für Augenerkrankungen aufgesucht werden, da ein Pannus (KSC) leicht auch mit anderen Augenproblemen, wie der Keratokonjunktivitis (auch als „trockenes Auges“ bekannt) verwechselt werden kann. In Deutschland gibt es einige Fachtierärzte die dem sogenannten "Dortmunder Kreis" DOK - Dortmunder Kreis Portal DOK (dok-vet.de) angeschlossen sind.

Wie wird die Schäferhundkeratitis behandelt?



Leider gibt es keine Heilungschancen bei einer KSC, aber es gibt verschiedene Behandlungsmöglichkeiten. Ziel ist hier akute Schübe schnellst möglich unter Kontrolle zu bekommen, weitere Krankheitsausbrüche zu verhindern und die Folgen der Erkrankung möglichst gering zu halten. Wird der Hund nicht tierärztlich behandelt, so verläuft die Krankheit häufig schubweise progressiv bis hin zum Endstadium der Erkrankung und der hornhautbedingten Erblindung, da die Hornhaut durch die Pigmenteinlagerung ihre für den Sehvorgang erforderliche Transparenz verliert.
Am häufigsten wird mit entzündungshemmenden Medikamenten, wie Kortikosteroide, Tacrolimus oder Ciclosporin behandelt. Diese Medikamente werden in Form von Augentropfen, Salben oder aber auch als Injektionspräparate verabreicht. Die Verabreichung muss lebenslänglich erfolgen, die Menge kann aber für gewöhnlich verringert werden.

Neben der verordneten Langzeittheraphie und den regelmäßigen Wiedervorstellungen des Hundes zur Kontrolluntersuchung beim Tierarzt, sind weitere Maßnahmen notwendig.
Da der kurzwellige Strahlungsanteil des Sonnenlichts im Zusammenhang mit dem Auftreten akuter Krankheitsschübe steht, sollten die Augen des Hundes vor übermäßiger UV-Einstrahlung geschützt werden. Das bedeutet, Schutz vor hellem Sonnenschein und wolkenlosem Himmel, oder auch bei Sonnenschein in schneebedeckten Landschaften besonders in Höhenlagen und bei Sonnenschein beim Aufenthalt an oder auf Gewässern. Hunde sollten an Tagen mit erhöhter UV-Strahlung nur in den frühen Morgenstunden, am Abend oder im Wald ausgeführt werden. Ansonsten sollten die betroffenen Hunde tagsüber nur an Orten ohne direkte Sonneneinstrahlung oder im Schatten gehalten werden. Falls sich eine UV-Exposition nicht vermeiden lässt, müssen die Augen des Hundes während des Aufenthalts in sonniger Umgebung geschützt werden. Dies kann z.B. durch eine spezielle Hundebrille geschehen.
Hundesonnenbrillen können in Kombination mit einer medikamentösen Behandlung eine weitere Verschlechterung der Erkrankung, durch Schutz vor UV-Strahlung, verhindern. Die Sonnenstrahlen sind während der akuten Phase dieses Problems besonders schädlich und manchmal sogar schmerzhaft.





Alternativ gibt es auch gut verträgliche UV-blockierende Kontaktlinsen für Hunde. Die richtige Wahl und die genaue Anpassung der Kontaktlinsen ist hier entscheidend. Sie können mehrere Wochen durchgehend getragen werden, bevor sie gereinigt werden und danach wieder zum Einsatz bereit stehen.
Es besteht auch die Möglichkeit, die Hundeaugen durch das Einträufeln bestimmter Substanzen in den Bindehautsack zu schützen. Auch sie bieten Schutz vor UV-Strahlen, allerdings nur kurzfristig, so dass die Medikation ständig wiederholt werden muss (ca. jede Stunde).
Weiter können Bestrahlung mit Strontium 90 oder mit weichen Röntgenstrahlen bei fortgeschrittenen Fällen der KSC eine gute Wirkung zeigen.
In schweren Fällen muss operiert werden, um die Narbenbildung und Pigmentierung in der Hornhaut zu entfernen. Auch nach einer Operation ist der Hund nicht geheilt und die Behandlung muss auch nach einer OP weitergeführt werden.



Das Thema wurde auf dem ersten Webinar „Zucht und Gesundheit beim Malinois“ vorgestellt. Hier findet ihr nochmal alle Fragen und Antworten



Zitat
Kann man mit einem betroffenen Hund weiterhin Sport machen?



In der Regel ist es weiterhin möglich mit dem Hund Sport zu machen, hier gilt es die Augen so gut es geht vor direkter Sonneneinstrahlung zu schützen.

Zitat
Sind bei der Keratitis Fälle beim Malinois bekannt oder ist das auf den dt. Schäferhund begrenzt?



Es sind Fälle beim BSH bekannt, vor kurzem hat eine Züchterin hierzu auch betroffene Hunde ihrer Zucht veröffentlicht.

Zitat
Wieviele BSH sind davon betroffen? Gibt es dazu Zahlen?


Leider gibt es derzeit keine Statistik über erkrankte Hunde

Zitat
Gibt es beim Malinois Linien wo gehäuft Schäferhund Keratitis vorkommt und was ist die Empfehlung für die Zucht ?



Eine familiäre Häufung ist auffällig. Da es über den Erbgang aber derzeit keine wissenschaftliche Aussage gibt, wäre es reine Mutmaßung Linien zu benennen. Die Empfehlung von DOK ist, betroffene Tiere aus der Zucht auszuschließen.

Zitat
hat die keratitis Einfluss auf den Augendruck?..muss im extremfall das Auge entfernt werden



Die Keratitis ist eine oberflächliche Entzündung der Hornhaut, es wurde kein Einfluss auf den Augendruck beschrieben.

Zitat
Wäre es nicht sinnvoll betroffene Hunde dem Zuchtverband zu melden um einen Überblick an betroffenen Hunden zu bekommen


Absolut Sinnvoll! Hier sollten die Zuchtverbände und Besitzer betroffener Hunde aktiv werden. Nur so lassen sich Daten sammeln und dann auch entsprechend auswerten um im weiteren Zuchtgeschehen auch entsprechend handeln zu können.

Zitat
ist die Keratitis schmerzhaft? oder bei Schüben schmerzhaft?



In der Literatur ist sie als „nicht“ schmerzhaft beschrieben, auch die Fallbeispiele die man im Internet finden kann beschreiben KEIN schmerzhaftes Geschehen.

Zitat
Bei dem Bild mit der Uhr ist auf 9 Uhr im Augenweiss eine braune Einfärbung zu sehen. Ist das bereits ein Hinweis auf eine Keratitis oder hat das keine Bedeutung?*



Ja, diese Veränderung auf 9 Uhr ist Keratitis

Zitat
Kommentar:
Wichtig in Sachen Keratitis ist aber noch zu sagen, dass wenn man als Halter tatsächlich aufmerksam seinen Hund gegenüber ist und bei der Behandlung sorgfältig ist, erblindet der Hund in der Regel NICHT!







Quellen:

Literatur:
Irene Sommerfeld-Stur, Rassehundezucht, 1. Auflage 2016, Müller Rüschlikon Verlag, Stuttgart.
Web Links:
DLA Gene - Bestimmung und deren Aussage dank DNA Analyse (feragen.at)
https://www.researchgate.net/profile/Ste...Strontium90.pdf
https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/13260?show=full
ess.pdf (fu-berlin.de)
Der Effekt UV-blockierender Kontaktlinsen bei der Therapie der Keratitis superficialis chronica des Hundes (uni-muenchen.de)
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21144596/
https://de.wikipedia.org/wiki/Sch%C3%A4ferhundkeratitis
www.tiermedizin.com
https://www.tierklinik-hofheim.de/die-kl...dkeratitis.html
https://www.eyevet.ch/schaeferkerat.html
https://www.hundebrille.eu/schaeferhundkeratitis
https://www.hundebrille.eu/blog/ein-umfa...itis-bei-hunden

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