Magenkrebs beim Belgischen Schäferhund: Eine Zusammenfassung von Forschungsergebnissen und Empfehlungen aus den Jahren 2021 und 2022
13.02.2024 11:04

von Anna Dreher
ursprünglich veröffentlicht in der DKBS CN Nr. 183, 2. Quartal 2022

Vorab: Die Studie ist ungeeignet, um festzustellen wie hoch das Risiko Belgischer Schäferhunde insgesamt ist an Magenkrebs erkranken! Quellen, die hierzu aussagekräftigere Ergebnisse beschrieben, finden sich in den “Quellenangaben”!

Im Jahr 2015 begann an der finnischen Universität Helsinki eine Studie zu Magenproblemen bei Belgischen Schäferhunden.
Diese Studie unterscheidet sich von anderen Forschungen auf dem Gebiet, da sie nicht zum vorrangigen Ziel hatte einen Gentest zu entwickeln, sondern eine Gruppe von Tervueren (19 Hunde) und Groenendael (8 Hunde) über mehrere Jahre hinweg z.T. regelmäßig mit Bluttests und einer Magenspiegelung untersucht hat, um eine mögliche Früherkennung von Magenkrebs zu erforschen.
Das im Vergleich zu anderen Rassen etwa 17-fach erhöhte Magenkrebsrisiko langhaariger Belgischer Schäferhunde wurde bereits in Studienreihen u.a. zwischen 2006 und 2015 festgestellt. Tervueren hatten hier das höchste Risiko an Magenkrebs zu erkranken, wobei mittlerweile naheliegt, dass sich das Risiko der Groenendael durch die seit einigen Jahren einfacher durchzuführenden Intervarietätenverpaarungen zwischenzeitig weiter erhöht hat.
Auch haben Belgische Schäferhunde ein siebenfach erhöhtes Risiko chronische Veränderungen und Entzündungen des Magens zu entwickeln. Die 27 Tervueren und Groenendael wurden unterteilt in eine Gruppe mit chronischen Magenproblemen inkl. Refluxerkrankungen (16 Hunde) und eine Kontrollgruppe mit Hunden ohne Magenprobleme (11 Hunde). Bei keinem der Hunde war zu Studienbeginn Magenkrebs bekannt.

Frage: Wie häufig sind unspezifische Magenprobleme bei Belgischen Schäferhunden?
Antwort: Eine (international angelegte, nicht auf Finnland beschränkte) Vorstudie mit Fragebögen ergab, dass 43% der Hunde (alle vier Varietäten) chronische Magenprobleme hatten. Die tatsächliche Zahl liegt aber wohl ein bisschen niedriger. Magenprobleme waren bei Malinois and Laekenois deutlich seltener als bei Tervueren und Groenendael.

Frage: Welche Erkenntnisse gibt es sonst aus den Fragebögen?
Antwort: Grasfressen hat mit Magenproblemen nichts zu tun, nahezu 90% der Hunde tun es. Mit Rohfutter (BARF) gefütterte Hunde hatten genauso häufig Magenprobleme, wie die mit anderen Futterarten ernährten Hunde.

Frage: Wurden in beiden Gruppen (mit und ohne chronische Magenprobleme) Hunde mit Veränderungen des Gewebes im Magen gefunden?
Antwort: Insgesamt hatten 81% der Hunde Gewebeveränderungen des Magens. 15 der 16 Hunde mit chronischen Magenproblemen hatten bei der Magenspiegelung Auffälligkeiten des Gewebes. 7 von 11 Hunden ohne chronische Magenbeschwerden zeigten bei der Magenspiegelung ebenfalls Auffälligkeiten. Statistisch betrachtet haben beide Gruppen trotzdem quasi gleich häufig Veränderungen im Magen. Es gab keinen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Magenproblemen und der Schwere der Gewebeveränderung.

Frage: Was waren “Vorstufen” von Magenkrebs?
Antwort: Eine Atrophie (Gewebeschwund) der Magenschleimhaut ist (anders als bei Menschen) wohl eher kein Risikofaktor. Metaplasie und Dysplasie (Veränderungen der Gewebestruktur) des Magengewebes (z.B. Magengeschwüre), insbesondere in Kombination mit chronischen Entzündungen, sind bekannte Vorstufen von Magenkrebs. Ein Drittel aller untersuchen Hunde hatte eine solche Vorstufe.

Frage: Bekommen nur Hunde mit chronischen Magenbeschwerden Magenkrebs?
Antwort: Nein, die Gefahr ist bei Hunden ohne Magenbeschwerden statistisch betrachtet genauso groß. Es ist möglich, dass Hunde ohne irgendwelche Symptome schon unheilbar krank sind.

Frage: Wie oft kam Magenkrebs vor?
Antwort: Insgesamt wurde in der Studie bei 6 von 27 Hunden Magenkrebs festgestellt. Alle Formen des festgestellten Magenkrebses waren Adenokarzinome (bösartiger Tumor, der aus Drüsengewebe hervorgegangen ist), meist “diffuse” Tumore (also Tumore die z.B. wie ein Magengeschwür aussehen). In der Studie war der jüngste festgestellte Hund mit Magenkrebs sieben Jahre alt. Bereits bei einem fünfjährigen Hund waren Vorstufen erkennbar, welche sich gut ein Jahr später bereits zu Krebs weiterentwickelt hatten. Im Durchschnitt wurde Magenkrebs im Alter von etwa neun Jahren festgestellt.

Frage: Kommt Magenkrebs bei Rüden häufiger vor als bei Hündinnen?
Antwort: In dieser Studie konnte nicht festgestellt werden, dass Rüden häufiger Magenkrebs entwickeln als Hündinnen. Alle anderen Gewebeveränderungen des Magens wurden bei Rüden und Hündinnen gleich häufig festgestellt.

Frage: Kann man früh erkannten Magenkrebs erfolgreich operieren?
Antwort: Wenn bei einem Hund zufällig bereits sehr früh Magenkrebs entdeckt wird, ist es möglich das noch sehr begrenzte Krebsgewebe bei einer Operation vollständig zu entfernen. Die Überlebensdauer wird so deutlich erhöht. Derart behandelte Hunde leben zum Teil sogar mehrere Jahre, ohne dass der Krebs zurückkommt.

Frage: Wurde ein Blutwert, der zur Früherkennung von Magenkrebs geeignet ist, gefunden?
Antwort: Nein, leider nicht.

Frage: Welche Symptome gibt es, die bei der Früherkennung helfen können?
Antwort: Es gibt keine eindeutigen Symptome. In der Studie wurden auch Hunde ohne jegliche Symptome mit fortgeschrittenem Magenkrebs diagnostiziert. Manche Hunde mit sehr schweren Symptomen hatten “nur” eine schwere Gastritis, aber keinen Krebs.

Frage: Magenkrebs wird fast immer erst sehr spät festgestellt. Wie ist die Überlebenschance bei einer Operation dann?
Antwort: Die Hunde überleben i.d.R. nur wenige Monate bis sie in Folge des Magenkrebses eingeschläfert werden müssen.

Frage: Wie geht es weiter? Ist das jetzt das Ende der Forschung?
Antwort: Nein, es wird weiter geforscht, zum Beispiel an Tumormarkern im Blut oder Kot, um die Früherkennung von Magenkrebs zu verbessern.

Frage: Welche Empfehlung gibt es für die Besitzer von Tervueren und Groenendael?
Antwort: Die Rasse hat ein erhöhtes Risiko an chronischen Magenerkrankungen zu leiden und auch Magenkrebs zu entwickeln. Bei regelmäßig auftretenden, unspezifischen Magenproblemen sollte, wenn möglich eine Magenspiegelung erfolgen und Biopsien aller Gewebeveränderungen untersucht werden. Zum Zeitpunkt der Studie allerdings (März 2022) ist - so die Aussage der Forscher - die einzige Möglichkeit zur Früherkennung von Magenkrebs die regelmäßige, vorsorgliche Durchführung einer Magenspiegelung, die abhängig von den Ergebnissen alle ein bis drei Jahre wiederholt werden sollte. Diese Vorgehensweise ist aber aus ethischen Gründen recht problematisch.

Schlussfolgerungen:
Magenkrebs entwickelt sich immer aus vorher schon bestehenden Gewebeveränderungen und ggf. chronischen Entzündungen des Magens. Diese Veränderungen sind ein Risikofaktor, wobei diese Vorstufen von Krebs häufig auch ohne erkennbare Symptome vorhanden sind. Die Schwere der Symptome steht in keinem Zusammenhang zur Schwere der Gewebeveränderungen im Magen oder dem Risiko an Magenkrebs zu erkranken. Magenkrebs kann eigentlich nur mit einer Magenspiegelung früh entdeckt werden, andere sichere Wege gibt es nicht. Die auslösenden Faktoren (warum entstehen Veränderungen des Magens und Magenkrebs) sind unklar. Sofern bösartige Veränderungen des Magens (zufällig) sehr rechtzeitig erkannt werden, ist die erfolgreiche OP von Magenkrebs möglich. Eine regelmäßige, präventive Magenspiegelung beim Hund ist im Hinblick auf (Narkose-)Risiken, Kosten und Verfügbarkeit allerdings fragwürdig.


Quellenangaben:
Seim-Wikse, T., Jörundsson, E., Nødtvedt, A., Grotmol, T., Bjornvad, C.R., Kristensen, A.T. und Skancke, E. (2013) Breed disposition to canine gastric carcinoma - a study based on the Norwegian canine cancer register, Acta Veterinaria Scandinavica 55:25

Candido, M.V., Syrjä, P., Kilpinen, S. und Spillmann, T. (2018)
Canine breeds associated with gastric carcinoma, metaplasia and dysplasia diagnosed by histopathology of endoscopic biopsy samples, Acta Veterinaria Scandinavica 60:37

Abrams, B., Wavreille, V.A., Husbands, B.D., Matz, B.M., Massari, F., Liptak, J.M., Cray, M.T., de Mello Souza, C.H., Wustefeld-Janssens, B.G., Oblak, M.L., Su, L. und Selmic, L.E. (2019), Perioperative Complications and outcome after surgery for treatment of gastric carcinoma in dogs: A Veterinary Society of Surgical Oncology restrospective study of 40 cases (2004-2018), Veterinay Surgery 48:6, S. 923-032

Candido, M.V., Syrjä, P., Hanifeh, M., Lepajoe, J., Salla, K., Kilpinen, S., Mäntylä Noble, P.-J. und Spillmann, T. (2021), Gastric mucosal pathology in Belgian Shepherd dogs with and without clinical signs of gastric disease, Acta Veterinaria Scandinavica 63:7 Candido, M., Kilpinen, S. und Spillmann, T. (2022) Belgianpaimenkoirien mahalaukun syöpä, Fin-Sagas & SBPKy ry, https://finbelge.fi/data/documents/GC-ar...LQRZOi5y3fjE_No abgerufen am 27.03.2022 (erreichbar über die Webseite des Finnischen Vereins für Belgische Schäferhunde, www.finbelge.fi, unter “Tiedotteet” -> Uutisblogi, Artikel vom 18.03.2022 (nur auf finnisch)) (abgerufen 05/2022)

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Informationen zu diesem Artikel
  • Erstellt von: Astrid Hübner
    Kategorie: Gesundheit
    13.02.2024 11:04:00 Uhr

    zuletzt bearbeitet: 14.02.2024 09:42
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