Inflammatory Bowel Disease– entzündliche Erkrankungen von Magen und Darm
02.03.2023 11:41

Von Manu Wolters
Einigen Besitzern von Belgiern dürfte bereits bekannt sein, dass unsere Belgier des Öfteren unter einem empfindlichen Magen-Darm-Trakt zu leiden haben. Der eine Hund mehr, der andere Hund weniger. Ich möchte in diesem Beitrag ein wenig über dieses Thema erzählen.

In den letzten Jahren hat sich nach und nach herausgestellt, dass viele Hunde unserer Rasse von chronisch entzündlichen Magen- und Darmerkrankungen betroffen sind. In der Fachsprache nennt man das „Inflammatory Bowel Disease“, kurz „IBD“ oder eben „chronische Enteropathie“, also eine chronische Entzündung im Magen und/oder Darm des Hundes.

Beim Menschen sind die zwei häufigsten und damit bekanntesten Subtypen Morbus Crohn (CD) und Colitis ulcerosa (UC).

Die meisten Tierärzte fassen alle Subtypen beim Hund unter IBD zusammen. Manche nennen Entzündungen im oberen Gastrointestinaltrakt (Verdauungstrakt) „IGOR“ (inflammatorisch gastro-oesophagealer Reflux) und im eher hinteren Teil „IBD“. Zum oberen Verdauungstrakt gehört die Speiseröhre, der Magen und der Zwölffingerdarm (der erste Abschnitt des Dünndarms).
Der hintere Teil beginnt am mittleren Abschnitt des Dünndarms und geht bis zum Rektum.



In einer größeren Studie wurden bei 43% der belgischen Schäferhunde, bei welchen per Gastroskopie und Biopsie (Magenspiegelung mit Gewebeproben und Auswertung), chronisch entzündlichen Schleimhautdefekte im Gastrointestinaltrakt gefunden.

Vornehmlich wurden hier diese Typen gefunden: Die sogenannte lymphoplasmazelluläre chronische Gastritis und Enteritis, sowie auch eine Beteiligung der eosinophilen Granulozyten.

Beide diese Marker gehören der Untergruppe der Leukozyten an und zeigen eine Reaktion und ein entzündliches Geschehen in der Magen- und/oder Darmschleimhaut an. Es kommt zudem noch zu weiteren Veränderungen in der Schleimhaut des Magen-Darm-Trakts, die ich aber nun nicht weiter beschreiben werde - das würde zu weit ausufern. In jedem Fall sind diese Erkrankungen darstellbar und diagnostizierbar und kein lapidares „Der Hund hat nur Stress“.

Woher kommt die IBD?



Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Darmschleimhäute eine Autoimmunreaktion auslösen, die zu einer Entzündung des Darms führen.

In einer englischen Studie[6] zu IBD beim Deutschen Schäferhund wurde untersucht, ob die Anfälligkeit für IBD mit dem Klasse-II-Lokus des Haupthistokompatibilitätskomplexes (MHC) (Hunde-Leukozyten-Antigen, DLA) assoziiert ist. Im Immunsystem von Wirbeltieren übernehmen MHC-Gene fundamentale Funktionen, wenn es darum geht körpereigene Strukturen von jenen zu unterscheiden, die körperfremd und somit potentiell gefährlich sind.

Die Forscher konnten den Haplotyp DLA-DRB1*015:01-DQA1*006: 01-DQB1*003:01 mit IBD in Verbindung bringen. Der Haplotyp DLA-DRB1*015:02-DQA1*006:01-DQB1*023:01 wurde nur in der Kontrollpopulation gefunden und wird mit einem niedrigen Risiko für IBD in Verbindung gebracht [6].

Diese Ergebnisse untermauern den Verdacht, dass es sich bei IBD um eine Autoimmunerkrankung handelt und eine Präposition geerbt werden kann.



Er gibt die rein autoimmune Reaktion, bei welcher der Körper quasi seine eigene Schleimhaut im Magen-Darm-Trakt angreift.

Dann noch einen durch Futtermittelallergien ausgelösten Typ, bei der das Immunsystem mit einer Entzündung auf den Stoff reagiert, der nicht vertragen wird. Auch diese Form ist also ein autoimmunes Geschehen, wenn auch mit potenziellem Trigger. In vielen Fällen bestehen beide Typen gemeinsam, etwas häufiger scheint aber hier noch die rein autoimmune Form zu sein.

Differenzialdiagnosen



Fernab gibt es auch noch sekundäre Auslöser einer Darmentzündung, zum Beispiel durch Parasiten oder eine Gastritis ausgelöst durch das Bakterium Helicobacter pylori, aber diese sind dann sekundärer Natur, also durch die Erreger ausgelöst und werden in der Regel nach Behandlung wieder vergehen.

Die Symptome des Hundes



Die Symptome sind weitgefächert und reichen vom gelegentlichen Schmatzen und Lecken bis zum ständigen Erbrechen und sogar bis zum totkranken Hund. Dabei korreliert die Schwere der Erkrankung nicht notwendigerweise mit der Intensität der Symptome. Es kommt immer darauf an, welche Bereiche betroffen sind und wie gut der Magen-Darm-Trakt noch arbeiten kann und wie lange die Erkrankung schon gegebenenfalls unbehandelt besteht.



Hier möchte ich Beispiele an zwei meiner Hunde geben, die an IBD leiden/litten:

Groenendael-Rüde



Als Welpe bereits stetig blutigen Durchfall, viel Schmatzen und Hecheln des Nachts, Gras fressen, Magensäure erbrechen, teilweise epigastrische Schmerzen (also Schmerzen im Magenbereich). Futterumstellung und Allergie-Screening erbrachten keine Erfolge.

Kotstudie während eines aktiven Schubes:



Teilweise in Schüben verlaufend, manchmal mit Lähmungen des Dickdarms. Kein Ansprechen auf Metronidazol oder andere Antibiotika, erst Cortison brachte Linderung. Tests auf Parasiten, Würmer und Dysbiosen (Fehlbesiedlung mit falschen Bakterien des Darms) waren alle negativ. Zeitweise so kritischer Zustand, dass an Euthanasie zu denken war.

Nach einer Biopsie des Magens und des Darms wurde eine Futterallergie ausgeschlossen und die folgende Diagnose gestellt:

Chronische lymphoplasmazelluläre und eosinophile Gastritis und Enteritis, fast im gesamten Magen-Darm-Trakt. Verkleinerte und fehlende Zotten im Dünndarm.



Die heutigen Schübe sind selten geworden, dafür aber stets sehr schwer. Er kann dann nichts bei sich behalten, hinten kommt nur noch Blut raus, super matter und schwer kranker Hund. Bei medikamentöser Therapie mit Cortison und Antibiose tritt aber baldige Besserung auf. Dennoch, nicht schön anzusehen…

Malinois-Hündin



Die Hündin kam second-hand zu uns und erbrach sich mehrfach am Tag und in der Nacht. Oft sogar völlig geräuschlos und selbst Wasser blieb oft nicht drin. Magen- und Darmprobleme waren vorher bereits bei der Hündin beschrieben und sogar diagnostiziert worden, also bevor sie zu uns kam. Therapieversuch mit Ulmenrindenschleim, da ich das Erbrechen zunächst auf den Stress des Einzugs und die Eingewöhnung schob, war nicht erfolgreich. Sie hat täglich viel Grass gefressen und war sehr unruhig. Der Appetit war aber stets gut! Der Tierarzt stellte den Verdacht auf Gastritis.

Konventionell wurde die Hündin zunächst mit einer niedriger Dosierung Omeprazol (Magensäurehemmer) behandelt, es stellte sich aber keine Besserung ein. Das Omeprazol wurde dann im Verlauf der Behandlung erhöht. Nachdem die Behandlung nicht anschlug, wurde ein Ultraschall des Bauchraums gemacht.Er zeigte massiv verdickte Magenwände und eine eingeschränkte Arbeit des Magens:



Damit wurde auch hier die Indikation zur Magen- und Darmspiegelung gestellt. Die Proben ergaben das gleiche Ergebnis wie bei unserem Rüden Bjarki, eine Lymphoplasmazelluläre und eosinophile chronische Gastritis. Die Medikation wurde nochmal verändert.



Auch hier wurde auf Parasiten und Würmer getestet, auf andere Erkrankungen und Allergien gegen Futter, jedoch ohne jegliche Hinweise darauf. Da während der Magenspiegelung der Pylorus (untere Verbindung zum Dünndarm) nicht passierbar war und diese Stelle für die Tierärzte seltsam aussah, wurde sogar zum Ausschluss eines Magenkarzinoms der Bauchraum eröffnet. Gott sei Dank erwies sich dieser Bereich als schlimm entzündet und war deshalb nicht mehr so passierbar, wie er hätte sein müssen. Soweit kann eine IBD also gehen, sie kann - vor allem unbehandelt - den Magen und Darmtrakt wirklich regelrecht in seiner Funktionalität zerstören und sogar zu inneren Blutungen und Darmverschlüssen etc., führen. Es ist keine harmlose Krankheit.

Diagnosestellung





Das Problem an chronischen entzündlichen Magen- und Darmerkrankungen ist zusätzlich Folgendes:

Beim Menschen ist bekannt, dass chronische Entzündungen die Wahrscheinlichkeit für Krebs erhöhen [4]. Die Gefahr für Speiseröhrenkrebs deutlich erhöht, wenn durch Reflux die Magensäure die Schleimhaut ständig reizt. Ebenso kann eine permanente Gastritis (Magenschleimhautentzündung) eben das Problem eines Magentumors mit sich bringen.

In Studien zum Magenkrebs beim Belgier [3] litten nicht wenige Hunde bereits vor ihrer Diagnose lange an Magen- und/oder Darmproblemen.

Dies sollte uns allen zu denken geben und uns achtsam werden lassen.

Behandlung





Es kommen verschiedene Möglichkeiten zum Einsatz, die individuell für den jeweiligen Hund abgestimmt werden müssen.

Eine vielversprechende unterstützende Möglichkeit sind gewisse Prä- und Probiotika, also gute Darmbakterien, die die Darmschleimhaut unterstützen können. Das sollte man aber unbedingt mit dem behandelnden Tierarzt absprechen - manche Präparate passen nicht zum jeweiligen Hund.

Auch hilft manchen Hunden, ebenso denen ohne Futtermittelallergie, ein leicht verdauliches Futter mit Monoprotein oder hydrolysiertem Protein. In jedem Fall sollte die Ernährung optimiert werden. Manche Hunde vertragen nur noch bestimmte Speisen, einige auch nur selbst gekochte Nahrung. Erstaunlich viele Hunde vertragen kein Weizen oder Mais mehr, auch oft erst im Verlauf der Erkrankung.
Es gibt für „IBD“ mittlerweile gute und qualifizierte Tierärzte und Ernährungsberater, die diese Thematik optimal für euren betroffenen Hund anpassen können.

Man sollte übrigens unbedingt regelmäßig den Vitamin-B-Status von chronisch darmkranken Hunden checken lassen. Manche Hunde, wie mein Rüde zum Beispiel, können durch die Darmschädigung kein Vitamin B12 mehr über die Darmschleimhaut aufnehmen. Ein Vitamin-B-Komplex-Mangel, sowie ein Mangel an Folsäure, kann die Erkrankung aber nochmal verschlimmern. Daher unbedingt mit in die Therapie einbeziehen und substituieren oder spritzen lassen, wenn nötig.

Weiterhin ist jeder Hund anders zu behandeln. Bei dem einen sprechen Corticosteroide (Cortison) an, bei dem anderen nur Antibiose wie zum Beispiel Metronidazol oder sogar Immunsuppressiva (diese Mittel regulieren die überschießende Antwort des Immunsystems) und Kombinationen hieraus.

Die Verläufe dieser Erkrankung sind leider nicht planbar oder voraussehbar und für die allermeisten Hunde gibt es keine „Trigger“, auch wenn negativer Stress bestehende Erkrankungen gewiss verschlimmern kann. Gerade unsere Belgier sind keine Eisklötze, an denen alles einfach so abprallt. Die einen Hunde leben sehr lange schub- oder beschwerdefrei ohne Medikamente, manche brauchen etwas Magensäurehemmung und wieder andere eine Keule aus diversen Medikamenten und sogar Folgeoperationen oder viele stationäre Aufenthalte und bei manchen geht das Ganze nicht gut aus und endet leider tragisch.

Wichtig ist auf jeden Fall eine korrekte Untersuchung mit Diagnose und eben dann im Anschluss eine gute Therapie, gute Ernährung und Feintuning, damit unsere Hunde das beste Leben leben können.

Dieses Thema wurde auf unserem Webinar am 12.02.2023 vorgestellt. Das Webinar kann nachträglich im Mitgliederbereich des Forums angeschaut werden.


Umfrage beim Webinar:





Die Fragen, die zum Webinar gestellt wurden:



Zitat
Können sich die zerstörten Darmzotten im Darm wieder bilden?


Das ist von der schwere und des Typs der Erkrankung die dazu geführt hat, abhängig.
Im Fall des Rüdens aus unserem Beispiel, war der Befund mit einem Abstand über 5 Jahre scheinbar anhaltend gleichbleibend (Koloskopie Ende 2016 und erneute in 2022).
Es gibt persistente, also bestehende Zottendefekte über Jahre bei einer IBD, zum Beispiel bei einer tiefen Infiltration und einem dauerhaft entzündlichem Prozess ohne mögliche Erholung für das Gewebe. Ebenso gibt es aber auch mögliche Regeneration über Monate oder Jahre hinweg, bei gutem Management der Krankheit, längerer Remission oder auch bei Magen und Darmentzündungen durch sekundäre Auslöser, wie bei Giardien oder anderen Infektionskrankheiten.

Zitat
Welche Erkrankungen beim Menschen sind mit IBD vergleichbar?


Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa:
Morbus Crohn gehört zu den chronischen entzündlichen Darmerkankungen deren Ursache noch unklar ist. Es wird vermutet, dass die Ursache in einer Kombination aus erblichen Faktoren, einer Fehlfunktion des Immunsystems, einer Beteiligung der Mikroorganismen im Darm und Umwelteinflüssen liegen. Morbus Crohn können alle Darmabschnitte entzündet sein, wobei meistens der Dünndarm am häufigsten betroffen ist. Typische Symptome sind Durchfall, Bauchschmerzen und Gewichtsverlust. Die Krankheit verläuft in Schüben mit zum Teil sehr starken Beschwerden.
Bei der Colitis Ulcerosa treten auch Durchfall, Darmblutungen und Bauchschmerzen auf, hier ist aber eher der Dickdarm betroffen und weniger der Dünndarm


Zitat
Ist IBD vererbbar?


Man geht stark davon aus das die Genetik einen großen Einfluss hat, die Forschungsergebnisse beim DSH untermauern das auch nochmal.



Zitat
Weiß man, was die Hunde vor der Diagnose für ein Futter hatten?


Bei den beiden Hunden im Beispiel des Webinars wurde zuvor folgendes gefüttert:
Groenendael Rüde: Tales and Tails „Noch ganz Fisch im Kopp“
Malinois Hündin: „Barca Premium“ auf Empfehlung der Züchterin.

Zitat
Gerne hätte ich noch gewusst, ob man IBD überhaupt heilen kann.


IBD gilt bis heute als chronische, nicht heilbare Erkrankung. Man kann allerdings mit diversen verschiedenen Therapieansätzen versuchen, die Lebensqualität der Hunde deutlich zu verbessern. Manche Hunde geraten so sogar in einen Zustand von Remission über einen längeren Zeitraum. Leider gelingt dies nicht immer.





Quellen:
[1] Cândido, M.V., Syrjä, P., Hanifeh, M. et al., Gastric mucosal pathology in Belgian Shepherd dogs with and without clinical signs of gastric disease. Acta Vet. Scand. 63, 7 (2021). https://doi.org/10.1186/s13028-021-00570-6 (25.02.2023)
[2] Cândido, M.V., Syrjä, P., Kilpinen, S. et al. Canine breeds associated with gastric carcinoma, metaplasia and dysplasia diagnosed by histopathology of endoscopic biopsy samples. Acta Vet. Scand. 60, 37 (2018). https://doi.org/10.1186/s13028-018-0392-6
[3] Smith, L.M., Genealogy research of the Groenendael and the Tervueren Belgian Shepherd diagnosed with gastric carcinoma. (2014). https://studenttheses.uu.nl/handle/20.500.12932/18523
[4] Hugen, S., Thomas R.E.,, German A.J., Burgener I.A., Mandigers P.J.J., Gastric carcinoma in canines and humans, a review. Vet. Comp. Oncol. 15(3), 692-705 (2017). https://dx.doi.org/10.1111/vco.12249
[5] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4629465/
[6] Atiyeh Peiravan 1, Karin Allenspach 2, Alisdair M Boag 3, Francesca Soutter 3, Angela Holder 3, Brian Catchpole 3, Lorna J Kennedy 4, Dirk Werling 3, Fabio Procoli 5: Single nucleotide polymorphisms in major histocompatibility class II haplotypes are associated with potential resistance to inflammatory bowel disease in German shepherd dogs (25.02.2023)
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27863539/ (25.02.2023)

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